Suzanne Thoma ist ehemalige CEO der BKW. Sie sagt, was viele in der Strombranche denken, sich aber nicht auszusprechen wagen: Mit neuen AKW wäre unser Land besser gerüstet.
Wir erinnern uns daran, als die Schliessung des Kernkraftwerks Mühleberg als ersten grossen Schritt der Energiestrategie 2050 gefeiert wurde. Inzwischen sind drei Jahre vergangen und es ist klar, dass die Schweiz diesen Winter den sicheren und klimafreundlichen Mühleberg-Strom sehr gut brauchen könnte. Stattdessen werden im aargauischen Birr acht Ölturbinen aufgebaut, damit uns der Strom nicht ausgeht.
Allerdings ist nicht die Abschaltung des Kernkraftwerks Mühleberg das eigentliche Problem, sondern der politische Entscheid, auf den Bau neuer Kernkraftwerke zu verzichten. Das sagt die ehemalige BKW-CEO Suzanne Thoma in einem Interview mit dem NZZ Magazin: «Damals war geplant, als Ersatz in Mühleberg ein hochmodernes, sicheres und sehr leistungsstarkes neues Kernkraftwerk zu bauen. Die Berner Stimmbevölkerung sagte Ja dazu. Es gab zudem Pläne für eine zweite Anlage. Hätte man diese geplanten AKW in Angriff genommen, wären wir bald in einer deutlich besseren Lage, was die Stromversorgung angeht.»
Auf der ganzen Welt sind 54 neue Kernkraftwerke im Bau, 119 in Planung. Auch in Europa erlebt die Technologie einen Aufschwung. In Finnland wurde eben erst ein neues Kernkraftwerk eingeweiht. Holland will zwei Anlagen realisieren – in Polen und Tschechien gibt es Neubauprojekte. Sogar Italien prüft den Einstieg in die klimafreundliche Kerntechnologie.
Die Vorteile von neuen Kernkraftwerken liegen auf der Hand. Das sagt auch Suzanne Thoma: «Besonders vielversprechend sind neue Technologien wie die sogenannten kleinen, modularen Reaktoren. Diese haben eine Reihe von Vorteilen, gerade aus sicherheitstechnischer Sicht. Der grosse Vorteil der Kerntechnologie ist aber der: Sie produziert mit wenig Ressourcen und auf kleinem Raum sehr viel Energie.»
Neue Erneuerbare – konkret Wind- und Solartechnologie – sieht Suzanne Thoma zwar als Bestandteil des künftigen Stromproduktionsmixes, aber nicht als Lösung. Denn es gibt immer wieder Dunkelflauten, das sieht man zurzeit drastisch in Deutschland, wo statt Sonne und Wind Gas- und Kohlekraftwerke die Stromversorgung sicherstellen, etwas was dem Netto-Null-Ziel klar zuwider läuft. Will man dekarbonisieren, heisst das elektrifizieren. Das bedeutet, dass das Problem der Schweiz in Bezug auf Strombedarf weit grösser wird. Wir sind ein dicht besiedeltes Land, es gibt nur wenig wirklich gut geeignete Standorte für grosse Wind- und Solaranlagen. Ausserdem sind wir ein Industrieland und benötigen deshalb jederzeit viel Strom. Zusätzlich wollen wir die ganze Mobilität und das Heizen elektrifizieren, um klimafreundlicher zu werden. Das bedeutet konkret: «Uns geht der Strom aus. Da müssen wir uns überlegen, die Elektrifizierung langsamer anzugehen. Und wir müssen dringend von ideologischen Diskussionen wegkommen», sagt Suzanne Thoma.
Es ist erfreulich, wenn sich Expertinnen wie Suzanne Thoma endlich klar und deutlich zum Schweizer Stromproblem äussern.
Die beste Lösung für dieses Dilemma heisst Technologieoffenheit. Die Schweiz darf sich nicht selber Steine in den Weg legen, indem sie von vornhinein gewissen Stromproduktionsarten ausschliesst. Deshalb haben wir die Volksinitiative «Jederzeit Strom für alle (Blackout stoppen)» lanciert. Sie verlangt Technologieoffenheit bei der Stromproduktion. So profitiert die Schweiz von Versorgungssicherheit und Klimaschutz gleichermassen.